Auf dem Weg zum Schwarzen Meer kam der Schnee. Mit zunehmendem Schneetreiben musste ich öfter an Orhan Pamuks gleichnamigen Roman denken, der zugegebenermaßen in deutlich höheren Lagen weiter im Nordosten der Türkei spielt.
Die Schwarzmeerküste bis Sinop
Der erste Teil der Schwarzmeerküste bis Sinop ist landschaftlich ein Traum – die Berglandschaft beginnt praktisch direkt am Strand. Das Panorama der Strecke entlang der Küste ist so schön wie die Serpentinen zahlreich. Auch gibt es kaum Touristen, erst recht nicht im Februar.
Das Schwarze Meer empfing uns mit riesigen Wellen. Am ersten der uns bekannten einsamen Strände (von Ballica, zwischen Eregli und Zonguldak) blieben wir nur eine Nacht. Die Wellen waren so hoch, dass wir gar nicht auf den Strand fuhren, sondern oberhalb der Bucht nächtigten.
Umso schöner war es, am Folgetag am Lieblingsstrand unserer Verlobungsreise („Kuscu Köyu Plaji“, hinter Cide) anzukommen. Wir hatten ihn als eine Art „blaue Lagune“ in Erinnerung – auch das sah natürlich im Februar etwas anders aus. Dafür führte die Straße aus den Bergen mittlerweile direkt an den Strand. Die Wellen hatten etwas nachgelassen und der Strand war recht weitläufig, so dass Martin den Pluto noch in der Abenddämmerung nach der ersten längeren Strandfahrt herrlich in der Bucht platzierte.
Am nächsten Tag bauten wir zum ersten Mal in diesem Urlaub unser Saunazelt auf. Es war eine Wohltat, an zwei Abenden in Folge einzuheizen und uns danach im eiskalten Schwarzen Meer abzukühlen. Aus Platz- und Gewichts-Gründen hatten wir bis kurz vor unserer Abfahrt überlegt, unser Saunazelt Zuhause zu lassen. Zugegebenermaßen ist es etwas verrückt, ein Saunazelt zehntausende Kilometer durch Zentralasien zu kutschieren. Für uns ist dieser kleine Luxus sein Gewicht wert und schon am Schwarzen Meer hat es sich gelohnt.
Die Tage waren weiterhin nass, kalt und windig. Und ein Genuss. Dank der Standheizung im Pluto bekamen wir Klamotten und Schuhe trocken (anders als bisher im Lada), auch wenn Balthasar vom Steine werfen und buddeln immer wieder komplett nass zurück kam. Josefine genoss das Sägen, Hacken und besonders die Kletterpartien entlang der Steilküste des Strandes. Und wir genossen die Outdoor-Alltagsarbeiten mit Blick aufs Meer, die Ruhe, das Lagerfeuer, die Natur und uns.
Nach vier Nächten fuhren wir von unserem Lieblingsstrand weiter, wieder ohne eine Menschenseele gesehen zu haben. Auch keines der Tiere, deren Spuren wir massenweise am Strand fanden, hatte sich gezeigt. Nach dem vielen Regen war es gar nicht so einfach, die Straße zum Strand wieder hinaufzukommen. Martin musste nochmal Reifendruck ablassen und der Pluto schwitze.
Wir wollten wieder Land gewinnen und verließen die Schwarzmeerküste, um durchs Landesinnere etwas schneller voranzukommen. Doch in den Bergen hinter der Küste erwischte uns wieder der Schnee. Und wieder überhitzte der Pluto-Motor, trotz kühler Außentemperaturen. Und als wir auf eine steile, stark verschneite Bergstraße abbiegen mussten, merkten wir zu allem Überfluss, dass wir (bei aller Ausstattung im Pluto) tatsächlich nur eine Schneekette dabei hatten. Martin legte sie an und wir schlitterten die Schneestraße kontrolliert hinunter.
Beim anschließenden Einkauf im türkischen Bergdorf Agli zeigte sich, dass es Richtung Osten der Türkei schwieriger wurde, Bier zu kaufen. Auch die Autobahngebühren für den Pluto wollten wir in der Post von Agli begleichen, was sich als ähnlich schwierig herausstellte wie das Bier.
Die Schwarzmeerküste ab Samsun
Um den Pluto ein zweites Mal in eine Iveco-Werkstatt zu bringen, fuhren wir am Ende dieses langen Tages trotz der Widrigkeiten noch bis vor Samsun. Wir kamen noch in eine Polizeikontrolle, die vor allem deshalb so lange dauerte, weil die Polizisten die zulässige Geschwindigkeit für einen Iveco Daily 4×4 mit Wohnmobilkabine nicht einzuordnen wussten (was übrigens auch nicht ganz trivial ist). Immerhin fanden wir einen etwas skurillen, aber für eine Nacht passenden Standplatz am Strand kurz vor Samsun.
Die Schwarzmeerküste von Samsun bis an die georgische Grenze bietet ein völlig anderes Bild als der erste Teil der Küste bis Sinop: Die Autobahn führt hier direkt an der Küste entlang und macht einsame Plätzchen am Meer so gut wie unmöglich.
Während Martin am nächsten Tag in die Werkstatt fuhr, schlenderte ich mit den Kindern durch Samsun. Ohne Werkstattaufenthalt hätten wir hier wohl nie Halt gemacht – aber oft sind ja genau diese Orte die authentischsten. Auf dem Spielplatz am zentralen Atatürk-Platz entdeckte Josefine das Hangeln entlang des Klettergerüsts für sich, was ihr die Bewunderung einer Gruppe türkischer Jungen samt ihres Sportlehrers einbrachte. Damit waren die nächsten Stunden gebucht. Josefine bekam Unterricht im Hangeln und anderen coolen Kletterarten. Und auch sonst betreuten die Jungs unsere Kinder auf dem Spielplatz so rührend, dass Balthasar ganz seinen Mittagschlaf vergaß. Alles natürlich ohne gemeinsame Sprache. Nur Adip, ein besonders fürsorglicher irakischer Junge, sprach etwas englisch. Solche unvergesslichen Begegnungen lassen sich nicht in Bildern festhalten.
Auch der Werkstatt-Aufenthalt war glücklicherweise erfolgreich (weitere Sicherungen wurden ausgetauscht, damit der Lüfter wieder ansprang), so dass wir noch am Nachmittag aus Samsun weiter Richtung Georgien fahren konnten. Wir fanden noch mitten in der Nacht einen Schlafplatz vor der Burgruine von Andoz bei Espiye, einige Kilometer im Landesinneren, mit herrlichem Blick. Erst am nächsten Tag merkten wir, dass auch die wenigen brüchigen Häuser um unseren Standplatz herum bewohnt waren – wir trafen einige Bauern mit Schafen und Gänsen. Nach einer Klettertour auf die Burgruine ging es weiter.
An einem weiteren langen Fahrtag schafften wir es bis an die georgische Grenze, die wir am 2. März erreichten.
Der Reisekomfort im Pluto
Gerade an diesen vielen langen Fahrtagen zeigte sich der Reisekomfort im Pluto im Vergleich zum Lada besonders. Die Kinder sitzen nicht eingequetscht zwischen Kühlbox, ihren Rucksäcken, Essensvorräten und unserem Kram. Sondern sie haben einen Tisch vor sich und ihre wichtigsten Reiseutensilien bei sich. Und ich kann aus dem „Cockpit“ nach hinten gehen und mich mit an den Tisch setzen zum Vespern, Vorlesen, Spielen oder getrocknete Blumen in Tante Judiths wunderbares Reisebuch kleben.
Fast alle haben vor der Reise gefragt, wie die Kinder die langen Fahrten mitmachen. Ganz genau wusste ich das nicht, auch wenn es bei unseren bisherigen Reisen immer gut geklappt hat. Tatsächlich waren die Kinder in diesen ersten Reisewochen wunderbare Mitfahrer, manchmal geduldiger als ich.
Hallo ihr Lieben, vielen Dank für euere Berichte, es ist wirklich toll, daran teilhaben zu können! Und super, dass ihr ein bischen “Luxus” dabei habt – geniale Sache! Und ich wünsche euch immer genug Holz dafür. Seid ganz lieb gegrüßt von uns allen, besonders auch von Marie an Josi. lG, anett & Familie
LikeLike
Hallo liebe Anett!
Wir senden Euch herzliche Grüße aus dem Süden Armeniens, wo die Landschaft schon viel karger und das Holz rarer wird. In den Steppen und Bergen Zentralasiens wird es sicher noch schwieriger. Wir setzen also auf die russischen Wälder…
Schöne Grüße,
Lena
LikeLike
Wirklich toll, sowas erleben manche „Stubenhocker“ Ihr ganzes Leben nicht.
Der Block ist mitreißend und fast mitreisend 🙂
LikeLike
Danke, Rupi, das freut mich sehr zu hören! Da lohnt sich der Aufwand für den Blog umso mehr.
Schöne Grüße in den Jungle! Lena
LikeLike
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele : Freuden,Schönheit und Natur,Gesundheit,REISEN
und Kultur. Drum, Mensch,sei zeitig weise! Höchste Zeit ist`s ! Reise,reise!! Wilhelm Busch
Wir reisen im Geiste mit Spannung mit ! Ihr macht es richtig….wir wünschen weiterhin vertiefend schöne
Erlebnisse. Liebe Grüße von Hubert & Young-Hee .
LikeLike
Hallo lieber Hubert und liebe Young-Hee.
Danke! Ich lese Josefine gerade Ronja Räubertochter vor – ebenfalls mit vielen Anknüpfungspunkten zu unserer Reise: „Und wo es ein Feuer gibt, da gibt es wohl auch ein Heim.“
Schöne Grüße von Lena und dem Rest der Bande!
LikeLike