Wir stockten in Isfahan unsere Vorräte nochmal auf, da wir nicht wussten, wie gut wir in der iranischen Wüste an Essen und Getränke für uns oder Diesel für den Pluto kommen würden. Herrliches Sommerwetter begleitete uns am 29. März in Richtung Nordosten in die Große Kavir-Wüste (Dasht-e Kavir). In Isfahan hatten wir den südlichsten Punkt unserer Reise damit bereits erreicht.
Die Kavir-Wüste ist eine riesige Salzwüste mit 78.000 Quadrat-Kilometern, die sich im iranischen Hochland von Teheran über Isfahan bis Yazd in Richtung Osten erstreckt. Die Wüste ist der ausgetrocknete Überrest eines urzeitlichen abflusslosen Binnenmeeres. Die Flüsse der umliegenden Gebirge spülten Gestein und Salz in das Meer und durch die Verdunstung entstand, Salzschicht für Salzschicht, die Kavir-Wüste.
Tolle Transit-Nacht oberhalb von Anarak
Schon kurz hinter Isfahan begann die Strecke vielversprechend: Karge Wüstenflächen wurden durchzogen von schroffen Wüstenbergen, die in den unterschiedlichsten Farben leuchteten. Salzseen und Salzflächen glitzerten in der Sonne; Dromedar-Herden vervollständigten das Bild. Und immer wieder tauchten grüne Oasen in der kargen Wüstenlandschaft auf. Alles sah völlig neu und anders aus, als wir es bisher auf der Reise erlebt hatten.
Am Nachmittag erreichten wir das hübsche Wüstendorf Anarak, von wo aus mehrere Pisten die Berge hinauf führten. Eine erste endete an einer Stein-Ruine – schon von hier hatten wir einen atemberaubenden Blick auf Wüste, Salzseen, Dorf und Berge. Und wir sahen eine zweite Piste noch höher in die Berge aufsteigen. Aber auch hier endeten wir irgendwann in steilen Fels-Gefilden. Die Kinder freuten sich und waren rasch die Felsen hochgekrakselt. Ich kletterte hinterher und wir tranken unsere Ankunfts-Fanta mit Blick auf die Berge in alle Richtungen. Nach dem Abendessen genossen Martin und ich Lagerfeuer und Kesh-Mesh mit Traum-Blick.




Am nächsten Morgen erwarben wir beim Metzger in Anarak noch zwei Hühnchen, die wir für weitere Wüstenabende in unsere Gefriertruhe luden, und fuhren weiter Richtung Mesr-Wüste.
Mit den Slowenen in der Mesr-Wüste
Die Mesr-Wüste ist eine der wenigen Regionen der Großen Kavir mit ausgedehnten, herrlichen Sanddünen. Auf dem Weg nach Mesr deckten wir uns mit Wasser und, wegen des Holz-Mangels, mit Grill-Kohlen ein. Verrückterweise fanden wir kurz vor Mesr sogar Holz – nach zwei Fahrtagen durch die karge Salzwüste konnten wir unser Glück kaum fassen! Im Wüsten-Oasen-Dorf Amirabad kurz vor Mesr lagen Unmengen Holz herum. Wir fragten den Bauern und durften gegen Geld Holz aufladen.


In Amirabad trafen wir auch die drei Slowenen Mitja, Davorin und Jan, die im Landcruiser mit Dachzelt ebenfalls in die Mesr-Wüste wollten. Wir fuhren gemeinsam weiter und freuten uns über die nette Gesellschaft.


Mitja als erfahrener Dünen-Fahrer hatte mit seinem wenig beladenen Landcruiser das perfekte Fahrzeug und Gewicht – er nahm die Dünen spielend. Wir waren zum ersten Mal mit dem unvergleichlich schwereren Pluto in der Wüste. Zu Beginn blieben wir mehrmals im Sand stecken, konnten uns aber mit der Seilwinde am Landcruiser rausziehen. Schnell zeigte sich die Übung und Martin nahm mit dem Pluto Düne für Düne auf dem Weg zu unserem Plätzchen für die Nacht.
Unsere slowenischen Freunde hatten zwischen ein paar Dünen einen windgeschützten, schönen Platz aufgetan. Und nun konnten wir mit unserer Pluto-Ausstattung punkten: Wir holten statt einem einfach zwei Hühnchen aus dem Tiefkühler und kredenzten auf dem Feuer zwischen den Dünen einen herrlichen Hühnchen-Topf für die ganze Mannschaft.



Derweil waren die Kinder überwältigt vom riesigen Sandkasten. Sie rollten durch den weichen Sand und ließen sich hineinplumpsen, rannten die Dünen hoch, rutschten wieder hinunter und jauchzten dabei vor Freude.




Wir erlebten zwar keine Sternen-Nacht in der Wüste, hatten aber das schönste Lagerfeuer zwischen den Dünen, das ich mir vorstellen kann. Wir saßen an diesem Abend noch lange gemeinsam um das Feuer, tauschten Reise-Geschichten aus uns sinnierten darüber, wie schwierig es sein dürfte, nach dieser Reise wieder in den deutschen oder slowenischen Alltag einzusteigen.
An diesem Tag zeigte sich, wie schön und hilfreich es sein kann, auf einer solchen Reise mit mehreren Fahrzeugen unterwegs zu sein. Ja, man verliert etwas Flexibilität und erhöht den Abstimmungsbedarf. Aber man gewinnt nicht nur Gesellschaft, sondern auch ein Hilfs-Fahrzeug für herausfordernde Situationen.
Unsere slowenischen Freunde wollten am nächsten Tag Richtung Turkmenistan aufbrechen, da sie ein früheres Visum hatten als wir. Auch wir fuhren ohne unser Abschlepp-Fahrzeug wieder etwas aus den Dünen hinaus und suchten uns ein Plätzchen an einem der kargen Wüstenberge mit Wüsten- und Bergblick. Den Nachmittag verbrachten wir mit einer Wanderung durch die Mondlandschaft. Und abends zeigten sich wieder die Sterne.





Am nächsten Morgen fuhren wir weiter Richtung Osten. Auch unsere restliche Zeit im Iran war durch das Turkmenistan-Visum überschaubar und wir wollten gerne noch ein Plätzchen finden, an dem wir ein paar Tage verweilen konnten.
Am See in den Bergen über Tabas
Zu Beginn dieses Fahr-Tages hatten wir noch keine Idee, ob und wo wir einen solchen Ort finden könnten. Erstmal machten wir viele Kilometer durch die Salzwüste.


Gegen Nachmittag fuhren wir östlich der Wüstenstadt Tabas über Karv in die Berge in Richtung eines Stausees, dessen Mauer bereits aus der Mongolenzeit im 13. Jahrhundert stammt. Die Gegend hier war strahlend schön: Die Wüstenlandschaft wurde durchzogen vom fruchtbaren Grün rund um den türkis-schimmernden Stausee. Getrübt war das Bild durch für unsere Verhältnisse viele Touristen, die vom Stausee aus in Scharen zu den heißen Mineralquellen von Morteza Ali pilgerten. Wir merkten schnell, dass wir hier kein ruhiges Plätzchen finden würden. Und es gab nur einen Weg, der vom Stausee weiter in die Berge führte.
Es wurde schon Abend, als wir diesem Weg mehrere Kilometer bergan folgten. Als es immer steiler und der Weg schlechter wurde, wollten wir schon abbrechen und uns für die Nacht einfach neben den Weg stellen. Martin startete einen letzten Versuch und lief den Weg zu Fuß nach oben. Und es war eine riesige Überraschung, als er zurückkam und nicht nur von einem schönen Platz, sondern auch von einem kleinen See erzählte.
Etwas Schweiß mussten wir noch lassen, da die Straße stark zerfurcht und steil war. Aber dann standen wir in einer der schönsten und einsamsten Gegenden, die wir bisher im Iran gesehen hatten. Ein ausgetrocknetes Flussbett, gesäumt von Sträuchern, zog sich in Richtung des kleinen Stausees, der tatsächlich auf keiner unserer Landkarten zu finden war. Und es gab Holz.


Bereits beim Pluto parken sah Martin unter einigen größeren Steinen die ersten Skorpione. Klein und gelblich-durchsichtig und damit eine der giftigeren der 1.500 Skorpion-Arten (Feld- oder Mittelmeerskorpion – ganz einfach ist die Bestimmung bei dieser Artenvielfalt für uns Laien nicht). Schon am ersten Abend durchtrennten wir mehrere von ihnen mit dem Spaten. Skorpione sind nachtaktiv und suchen tagsüber Schutz in ihren Höhlen oder unter Steinen. Von Beginn an mussten die Kinder also trotz der sommerlichen Temperaturen feste Schuhe tragen und durften keine Steine aufheben. Für Balthasar war das eine echte Einschränkung. Überraschenderweise hielt er sich aber recht gut an das Steine-Aufheb-Verbot – Verbote befolgen ist ansonsten zumindest aktuell nicht so seine Stärke. Josefine mit ihren fast sechs Jahren war vom ersten Anblick der Skorpione beeindruckt genug, um Vorsicht walten zu lassen.
Dennoch ging mir öfter durch den Kopf, wie wir bei einem Skorpion-Stich der Kinder in Eile die steile und zerfurchte Straße vom Bergsee in die Wüsten-Stadt Tabas ins Krankenhaus fahren würden – und hoffen, dass die Ärzte dort uns verstehen und auf Skorpion-Bisse vorbereitet sind. Renate hatte uns ja beruhigenderweise im Vorfeld mit einigen Notfall-Medikamenten ausgestattet. Aber bei Skorpion- oder Schlangenbissen hilft nur das schnelle Gegengift im Krankenhaus. Von allen erdenklichen Gefahren auf unserer Reise halte ich weiterhin einen Autounfall und – mit etwas Abstand – einen Skorpion-/ Schlangenbiss an einem abgelegenen Ort für die größten Risiken.
Abgesehen von den Skorpionen war unser Plätzchen am Bergsee ein Traum! Die Berge und Felsen in der direkten Umgebung hätten genügend Touren für mehrere Wochen geboten. Gleich am zweiten Tag kletterten wir die Felswände entlang eines steilen, trockenen Flusslaufs bergan. Insbesondere Josefine ist eine begeisterte Kletterin und konnte ihr Glück kaum fassen.




Am nächsten Tag war das Wetter so warm und herrlich, dass wir einen Bade- und Ausruhtag einlegten. Dabei sei nochmals betont, dass wir weiterhin im Iran waren, wo Baden ohne Kopftuch und lange Ärmel eben nicht alltäglich ist. Aber hier oben hatten wir Ruhe.


Bereits morgens hatten zwei nette Iraner den Weg zu unserem Plätzchen gefunden – und sich über Kaffee und Zigaretten von uns gefreut und Balthasar dafür mit Mengen an Nüssen ausgestattet. Am Nachmittag packte Martin sein Akkordeon aus, was ebenfalls als Hinweis auf große Entspannung zu werten ist. Und auf dem Feuer gekocht haben wir in diesen Tagen ebenfalls wie die Könige.




Ich glaube, uns alle haben die warmen, erlebnisreichen und trotzdem entspannten Tage seit Isfahan mit den anfänglichen Matsch-Tagen im Iran versöhnt. Als Wehrmuts-Tropfen wurde bei der Fahrt an den iranischen Berg-See beim Pluto erstmals ein Motorfehler angezeigt und er schaltete in den Notlauf. Wir waren seitdem deutlich langsamer unterwegs als bisher – und das Thema sollte uns auch noch eine Weile begleiten.
Am 4. April verließen wir unseren Traum-Platz notgedrungen, da unser Transit-Visum durch Turkmenistan bereits am 9. April auslief. Bis dahin mussten wir noch viele weitere Kilometer durch die iranische Wüste nach Mashhad und durch Turkemnistan hinter uns bringen. Und wegen des Motorfehlers im Pluto wird es anders als geplant zum Iran auch noch einen weiteren Blog geben.