Seit dem Bergsee im Iran hatte der Pluto in den Notlauf geschaltet. Wir kamen voran, aber mit halber Kraft, und das bei über fünf Tonnen Gewicht. Das ist auf geraden Strecken weniger spürbar. Auf den bergigen Strecken zwischen Tabas und Maschhad verlangsamte sich der Pluto aber ähnlich stark wie Martins Laune sich verschlechterte. Und vor dem Pamir-Highway in Tadschikistan graute es uns in diesem Zustand. Die letzte Iveco-Werkstatt bis dahin wurde uns in Maschhad im Nordost-Iran angezeigt. Und wir brauchten ein Iveco-Auslesegerät, um die Fehler nicht nur bestimmen, sondern auch zurücksetzen zu können. Eigentlich wollten wir in Maschhad nicht länger verweilen und das Turkmenistan-Visum drängte uns ebenfalls weiter – aber so ist das mit dem „eigentlich“ auf diesen Reisen.
Der Weg nach Maschhad
An einem langen Fahrtag am 4. April fuhren wir von unserem Traum-Plätzchen oberhalb von Tabas bis Maschhad in einem Rutsch. Dabei mussten wir, erstmals im Iran, an mehreren Polizei-/ Militärkontrollen halten. Ich war heilfroh, dass der Kesh-Mesh mittlerweile vertilgt war, auch wenn keine der Kontrollen in unseren Pluto schaute. Aber jedes Mal dauerte es ewig, bis unsere Personalien erfasst und zusätzliche Fragen beantwortet waren. Neben unserer Reiseroute im Iran war besonders meine Arbeit im Ministerium von Interesse.
Wir kamen gegen 22 Uhr in Maschhad an, am nächsten Tag sollte die Iveco-Werkstatt wegen des freitäglichen Sonntags im Iran geschlossen bleiben. Die Mitarbeiter unseres Isfahaner Hotels hatten erreicht, dass wir am Freitagvormittag für eine kurze Diagnose in die Werkstatt kommen könnten. Wir fanden einen guten Übernachtungs-Platz wenige Kilometer vor Maschhad in den Hügeln.
Erste Werkstatt und Abkühlung
Am nächsten Morgen war an der Iveco-Werkstatt auch nach langem Warten niemand anzutreffen. Dafür baten Mechaniker aus einer benachbarten Werkstatt ihre Hilfe an. Martin hatte einige Ersatz-Filter dabei, die eigentlich nicht das Problem waren, die wir aber trotzdem austauschen ließen.


Wir alle wurden abschließend zum Tee eingeladen. Wie in den meisten bisherigen Werkstätten mussten wir dem Mechaniker eine Bezahlung fast aufzwängen.


Leider war mit den neuen Filtern das Problem nicht gelöst. Bei der Iveco-Werkstatt konnten wir erreichen, dass gegen 16 Uhr jemand da sein würde. Es war mittlerweile richtig heiß geworden. Um die Zeit zu überbrücken, fuhren wir einen Flusslauf westlich von Maschhad bergauf. Dort fanden wir tatsächlich etwas Abkühlung und die Kinder liefen mit einigen iranischen Jungs barfuß den Flusslauf entlang ein paar Fröschen hinterher. Wie so oft war Josefine das einzige Mädchen bei solchen Kletter- und Erkundungstouren. Die iranischen Mädchen spielten in voller Montur in der Wiese.


Eindrücke als Frau im Iran
In Momenten wie diesem fiel es mir besonders schwer, die Rolle der Frauen und insbesondere der Mädchen im Iran zu akzeptieren. Mich persönlich störten weniger die bekannten Konventionen wie das Kopftuch, sondern ich bedauerte, wie prägend es für die Rolle zwischen Frau und Mann ist, wenn Mädchen nicht in jungen Jahren zusammen mit den Jungen durch Flüsse waten oder an Klettergerüsten entlang hangeln. Bereits in Samsun in der Osttürkei war Josefine weit und breit das einzige Mädchen am Klettergerüst.
Natürlich ist mir bewusst, dass es unterschiedliche Rollen zwischen Frauen und Männern nicht nur im Iran gibt. Die gleichberechtigte Aufgabenteilung funktioniert auch in unserer Familie auf dieser Reise weniger gut als sonst und auch Zuhause nicht perfekt. Trotzdem ist die Dimension der Unterschiede in vielen der von uns bereisten Ländern eine andere. Seit Serbien habe ich keinen Mann erlebt, der seiner Frau in der Küche oder mit den Kindern zur Hand ging (was nicht heißt, dass es diese Männer dort nicht gibt). Bei unseren Gast-Familien im Iran wurde Martin ungläubig angesehen, wenn er beim Tisch abdecken etwas in die Hand nahm oder Balthasar eine frische Windel anzog.
Ich möchte betonen, dass ich als Frau im Iran und in den anderen Ländern unserer Reise immer höflich behandelt wurde. Aber die interessanten Gespräche fanden meist in der Männerrunde statt, die Männer konnten häufiger etwas englisch, richteten an mich aber selten eine Frage. Auch zu meinem Job im Ministerium wurde in der Regel Martin von den Polizisten befragt und nicht ich.
Diese Beobachtungen beruhen auf persönlichen Eindrücken und sind keinesfalls repräsentativ. Bei einer Teheraner Mittelstandsfamilien sieht vieles sicher anders aus – einige Gegenbeispiele haben wir kennengelernt. Aber die Mehrzahl meiner Erlebnisse als Frau im Iran machte mich heilfroh, dass wir durch Aufklärung und Emanzipation in Deutschland und Europa trotz aller Defizite weit gekommen sind.
Zensiertes Internet
Der Iran war übrigens auch das erste Land auf unserer Reise, in dem wir ein zensiertes Internet erlebten. Viele Webseiten lassen sich nicht aufrufen und welche das sind, scheint wenig nachvollziehbar: Facebook beispielsweise ist gesperrt, während Instagram genutzt werden kann, weshalb viele Iraner nur auf Instagram zu finden sind. Wir begannen im Iran, für Handy und Laptop VPN-Programme zu nutzen, mit deren Hilfe gesperrte Seiten über in anderen Ländern liegende Server aufgerufen werden können. Wir nutzten das kostenpflichtige VPN360 fürs Iphone und den kostenlosen Opera-Browser am Laptop. Für eine Zentralasien-Tour lohnen sich VPN-Programme übrigens: Auch in Usbekistan und Tadschikistan konnten wir einige Seiten nur mit VPN oder damit deutlich besser aufrufen.
Iran-Abschluss in Maschhad
Aber noch einmal zurück zum Iran: Im Anschluss an unsere Abkühlung am und im Fluss fuhr Martin mich mit den Kindern auf einen Spielplatz und ging selbst in die Iveco-Werkstatt. So viel zum Thema gleichberechtigte Aufgabenteilung.


Leider konnte der Werkstatt-Inhaber die angezeigten Fehler nicht beheben. Er verwies noch darauf, dass am nächsten Tag sein Elektriker käme, der eventuell weiterhelfen konnte. Aber ein gewisses Misstrauen und unser turkmenisches Transitvisum von nur fünf Tagen drängte uns zum Aufbruch.
Wir verbrachten zu viert noch einen schönen, letzten iranischen Abend in Maschhad mit leckerem Essen und echtem Kaffee. Am nächsten Tag, dem 6. April, brachen wir auf Richtung iranisch-turkmenischer Grenze bei Sarahs. Auf dem Weg zur Grenze verlor Josefine noch ihren zweiten Milchzahn – das Vorschulmädchen war stolz wie Bolle. Irgendwie zählen auch diese kleinen gemeinsamen Momente zu den wichtigen der Reise. Unser „Sowjetistan“-Abenteuer konnte beginnen.


Nun schon zum wiederholten Mal: Ganz herzlichen Dank für Deine interessanten Schilderungen, Lena! Besonders interessant diesmal Deine Einschätzung der „Lage der Frauen“ und Deine Internet-Infos.
Freue mich aber auch immer, zu lesen, wie es auf Eurer Tour weiter geht.
Eiserne Grüße von
Achim
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Danke, lieber Achim!
Und Euch nochmal auf diesem Wege: Glückwunsch zum Aufstieg! Josefine, die alte Rahnsdorferin, hat sich besonders gefreut.
Und wir sind gespannt, wie der Aufstiegs-Rasen bis August gedeiht…
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