Voll-Überwachung beim Transit durch Turkmenistan

Wir hatten uns keine Illusion darüber gemacht, dass Turkmenistan ein Überwachungsstaat und eines der geschlossensten Länder der Welt ist. Und wir waren gespannt, bei der Durchreise zumindest ein bisschen was von den Lebensbedingungen in diesem Land mitzubekommen. Es gibt als westlicher Tourist nur zwei Möglichkeiten, an ein Visum für Turkmenistan zu kommen: Entweder über eine von einem staatlichen Reiseanbieter organisierte und kontrollierte Tour durch das Land – das hat die Norwegerin Erika Fatland in ihrem Buch „Sowjetistan“ eindrucksvoll beschrieben.

Transit-Visum für Turkmenistan

Die zweite Möglichkeit, Turkmenistan als westlicher Tourist zu bereisen, ist ein Transit-Visum von wenigen Tagen, wie wir und andere Overlander es haben. Die Vergabe des Transit-Visums gleicht einer Lotterie. Und die Reisenden, die es nicht bekommen, müssen – um vom Iran in die Stan-Länder zu kommen – einen enormen Umweg über Aserbaidschan und das Kaspische Meer auf sich nehmen.

Wir bekamen das Turkmenistan-Visum problemlos und gerade noch rechtzeitig in der Woche vor unserer Abreise. Für die Reiseplanung war es trotzdem enorm anspruchsvoll, da wir uns bereits beim Visumsantrag auf exakt fünf Tage (die drei Monate entfernt lagen) festlegen mussten. Und wir mussten bereits beim Visumsantrag die genaue Reiseroute nennen. Wir wählten den kürzesten Weg durch Turkmenistan vom Südosten (Sarahs) in den Nordosten (Turkmenabat/ Farab). Damit kamen wir nicht an der Hauptstadt Ashgabat und nicht am brennenden Krater von Derweze vorbei – den beiden Hauptattraktionen Turkmenistans. Aber wir sparten viele hundert Kilometer durch die turkmenische und usbekische Steppe. Und wir vermuteten, dass wir uns über die so gewonnene Zeit in der Berglandschaft Tadschikistans und Kirgisistans freuen würden.

Iranisch-turkmenische Grenze

Wir kamen am 6. April an der iranisch-turkmenischen Grenze von Sarahs an. Die Ausreise aus dem Iran verlief schnell und problemlos. Die Grenzer wollten auf meiner Kamera unsere Iran-Bilder sehen, was ihnen schnell langweilig wurde. Nach der Ausreise zog ich erleichtert mein Kopftuch, meine Tunika und meine lange Hose aus.

Wir wussten, dass wir an der turkmenischen Grenze ein GPS-Gerät ans Auto bekommen würden und der Route aus dem Visumsantrag genau folgen mussten. Aber wie lange diese Prozedur dauerte und wie oft wir unsere geplante Reiseroute erzählen und aufmalen mussten, passte auf keine Kuhhaut. An mehreren Stellen mussten wir zudem (geringe) Gebühren zahlen, von denen wir im Vorfeld nicht gelesen hatten. Wir diskutierten nicht. Irgendwie war Turkmenistan schon an der Grenze unheimlich.

Wir waren erleichtert über die Einreise und fuhren an den Geld-Umtauschern direkt nach der Grenze vorbei. Ein großer Fehler! In Turkmenistan kann man seine Dollar an einigen offiziellen Orten zu einem festgelegten (schlechten) Kurs in Manat tauschen. Es gibt wohl auch wenige Geldautomaten, die Visakarten akzeptieren – wir haben keinen gefunden. Die meisten Reisenden wechseln auf dem Schwarzmarkt, wo der Kurs ein deutlich besserer ist. Wir haben einmal, bei der Durchfahrt durch Mary, im Hotel zum schlechten Kurs Geld getauscht.

Erster Zusammenstoß mit den Überwachern

Unsere Einreise nach Turkmenistan erfolgte durch die lange Grenzprozedur erst am späten Nachmittag. Laut unserer an der Grenze festgelegten Route sollten wir noch an diesem Abend bis in die Stadt Mary fahren. Zuvor wollten wir in Sarahs noch Geld und Bier besorgen.

Bereits hier gerieten wir zum ersten Mal mit dem turkmenischen Überwachungsstaat aneinander. Nachdem wir eine Weile auf der Suche nach turkmenischen Manat erfolglos durch die Stadt gefahren waren, hielten wir an einem Spirituosen-Geschäft. Ich hatte gerade das Geschäft betreten, da versperrte mir ein wild fuchtelnder Mann in zivil den Weg. Zurück am Auto war ein zweiter aufgebrachter Herr bei Martin und bedeutete ihm, dass wir hier nichts kaufen dürften und schnellstens nach Mary fahren sollten. Wir wiederholten, dass wir nur ein paar Bier kaufen wollten. Da wurden die beiden Männer noch aufgebrachter, zogen ihre Polizei-Marke und sagten nur „Mary, Mary“. Ohne russisch zu können und auch sonst neu in diesem unbequemen Land, ärgerten wir uns und fuhren weiter. Das Zivilpolizei-Auto folgte uns noch bis zur Landstraße nach Mary.

„Abkürzung“ von Sarahs nach Mary

Mein größter Reiseplanungs-Fehler der bisherigen Reise war, in Turkmenistan gleich zu Beginn eine „Abkürzung“ von Sarahs nach Mary zu wählen. Die Strecke war zwar deutlich kürzer. Aber es war die schlechteste Straße unserer bisherigen Tour, einschließlich des Pamir Highways. Für die etwa 100 Kilometer brauchten wir ewig. Wir konnten den Großteil der Strecke nur schleichen, da die Straße durch unzählige riesige Schlaglöcher eher einer Hügellandschaft ähnelte.

Wir merkten schnell, dass wir es an diesem Abend nicht mehr bis Mary schaffen würden. Aber die Straße wollten wir hinter uns bringen, um am nächsten Tag nicht schlecht gelaunt los zu fahren. Sehr spät fanden wir tatsächlich noch einen kleinen Dorfladen in einem Bauernhof. Die ganze Familie sammelte sich hinter dem Tresen im Laden und ließ uns gegen Dollar die ersten Biere nach drei Wochen kaufen. Wegen des schlechten Wechselkurses waren es auch die teuersten Biere unserer Reise. Aber das grämte uns an diesem Tag nicht. Wir waren heilfroh, als wir mitten in der Nacht mit schlafenden Kindern im strömenden Regen am Hanhowuz-Stausee einen ordentlichen Nacht-Platz fanden.

Zweite Begegnung mit den Überwachern

Und am nächsten Morgen kamen, immerhin erst nach dem Frühstück, wieder die Überwacher in zivil. Ein Auto hielt am Feldweg nahe unseres Plätzchens. Zwei Männer stiegen aus, wieder mit einer Polizeimarke. Sie sagten, wir sollten schnell nach Mary weiterfahren, denn hierher würde heute noch der Minister kommen. Ich vermute, Turkmenistan hat viele Minister. Unabhängig davon finde ich es eine wirklich einfallsreiche Ausrede, uns mitten in der Walachei wegen eines Ministerbesuchs wegzuschicken. Wir fuhren weiter, deutlich verärgert von der Überwachung.

Als besonders erschreckend empfanden wir in Turkmenistan von Beginn an, dass die Menschen auf der Straße wirklich Angst zu haben scheinen. Die meisten schauten verunsichert weg, wenn wir vorbeifuhren, was wir sonst in keinem Land erlebt haben. Diese Angst ist mehr als verständlich: In Turkmenistan ist die Sicherheitspolizei allgegenwärtig. Das Volk ist aufgefordert, jegliche Kritik am Staat zu melden. Es kommt regelmäßig zu willkürlichen Verhaftungen. Auch dies beschreibt Erika Fatland in ihrem Buch „Sowjetistan“.

In und um Mary

In Mary hielten wir nur, um, abermals gefolgt von zivilen Überwachungs-Fahrzeugen, im Hotel zum schlechten Kurs Geld zu wechseln. Endlich konnten wir im recht noblen Supermarkt alles einkaufen, was im Iran schwer zu bekommen war: Bier, echten Kaffee, tolles Brot, Nutella, gute Schokolade, leckeres Müsli.

Mary ist Turkmenistans zweitgrößte Stadt. An jeder Ecke prangt ein Porträt von Berdimuhamedow, dem „Neuen Präsidenten“ Turkmenistans. Dieser kam 2007 nach dem Tod des ersten Präsidenten Turkmenbashi an die Macht. Er war sein persönlicher Zahnarzt und Gesundheitsminister.

Unter der Wüste um Mary herum liegen große Gasvorkommen. Turkmenistan hat enorme Gas- und Ölreserven. Die politischen Eliten leben in marmornen Luxusbauten. Viele, auch der kleineren Städte auf unserer Strecke, hatten riesige marmorne Pferderennbahnen. Über die Hälfte der Turkmenen wohnen jedoch in Wüstendörfern und leben von der Hand in den Mund. Gas und Salz sind für die Turkmenen gratis; Benzin und Flugtickets sind stark subventioniert. So sollen die Menschen das Gefühl haben, dass der Staat sich um sie kümmert.

Durch die blühende Wüste

Hinter Mary begann der landschaftlich interessante Teil der Fahrt durch das Land. Ich hatte mir Turkmenistan öde und eintönig vorgestellt. Die Karakum-Wüste bedeckt über 70 Prozent der Fläche des Landes. Im Winter ist es eiskalt, im Sommer gnadenlos heiß. Während unserer Durchreise im April blühte die Wüste in den prächtigsten Farben. Überall führten kleine Wege in die blühenden Wüstenhügel. Viele Autos turkmenischer Familien standen in den Hügeln; hier fand das Sonntagnachmittags-Picknick statt.

Auch wir wollten hier den Nachmittag und Abend verbringen und bogen hinter Repetek rechts ein in die blühende Wüste. Das Plätzchen war ein Traum! Sanddünen, Blumen in allen Farben und Holz.

Schnell kam ein sehr netter und offener Vater mit seinen Kindern auf uns zu. Während der Mann Martin in ein Gespräch auf Russisch und Turkmenisch verwickelte, flitzten unsere Kinder gemeinsam die Dünen rauf und runter.

Mit einem tollen Kochabend und einem herrlichen Lagerfeuer ging der zweite, diesmal sehr angenehme Abend in Turkmenistan zu Ende.

Mittagspause an der turkmenisch-usbekischen Grenze

Unser fünftägiges Transit-Visum für Turkmenistan wäre noch einen Tag länger gültig gewesen. Aber uns hatte es wenig Spaß gemacht, bei voller Überwachung durch dieses Land zu fahren. Und so waren wir froh, am Mittag des 8. April die turkmenisch-usbekische Grenze bei Farab/ Alat zu erreichen.

Leider mussten wir am ersten Schlagbaum der Grenze halten und kamen erstmal gar nicht bis zu den Kontrollen. Denn tatsächlich hatte diese Grenze zwischen 13 und 14 Uhr Mittagspause. Wir kamen gegen viertel nach eins an und sahen nur noch, wie die Grenzbeamten ihr Mittagessen geliefert bekamen und alle gemeinsam in einem ihrer Häuschen verschwanden. Bei über 30 Grad standen wir knapp eine Stunde in der prallen Sonne, bis wir endlich ausreisen und den Pluto wieder um das GPS-Gerät erleichtern durften.

Wir atmeten auf und freuten uns auf die anderen zentralasiatischen Länder, die im Vergleich zu Turkmenistan beinahe freiheitlich wirken sollten.

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