Usbekistan zeigte sich schon an der Grenze als offeneres und freundlicheres Land. Für EU-Bürger ist die Einreise seit Anfang des Jahres visumsfrei. Während Martin mit den Zöllnern den Pluto durchging, unterhielt ich mich mit zwei Grenzerinnen – eine von ihnen sprach gutes Englisch. Es ging wieder um meine Arbeit, aber diesmal, glaube ich, auch aus persönlichem Interesse. Sie wollten wissen, wie mein Arbeitstag aussieht, was ich verdiene und wie ich das mit den Kindern mache. Dann durften wir einreisen.
Eine Nacht am Feld
Wir hielten am späten Nachmittag dieses 8. April gleich im ersten Städtchen, Alat, für unsere Nach-Einreise-Routine: Geld wechseln, Handykarte besorgen, einkaufen. Ähnlich wie in Turkmenistan hatten wir damit gerechnet, in den offiziellen Wechselstuben einen deutlich schlechteren Kurs zu bekommen als auf dem Schwarzmarkt. Aber in Usbekistan scheint der Schwarzmarkt mittlerweile passé: Die offiziellen Wechselstuben zahlen den gleichen Preis für die Dollar.
Usbekistan war in dieser Gegend flach, was es schwierig macht, schöne Nachtplätzchen zu finden. Wir hielten an einer recht einsehbaren Stelle neben einem Feld, wo wir noch Besuch von einem Einheimischen bekamen, der es vor allem auf unsere Bier- und Schnapsvorräte abgesehen hatte. Am nächsten Morgen kam bei strömendem Regen der Bauer vorbei und lud uns zum Frühstück zu sich nach Hause ein. Wir lehnten freundlich ab, da wir an diesem Tag noch einige Stunden in Buchara verbringen und weiter nach Samarkand fahren wollten.
Ein Tag in Buchara
Unsere Route durch Usbekistan war relativ kurz: Wir wollten die beiden Seidenstraßen-Städte Buchara und Samarkand erkunden und dann weiter in die Berge nach Tadschikistan fahren. Da der Pluto immer noch im Notlauf war, hatten wir uns entschieden, in Buchara nur einen Tag zu verbringen und in Samarkand einen längeren Aufenthalt samt Werkstatt-Besuch einzulegen.
In Buchara kamen wir wegen überfluteter Straßen kaum bis in die Innenstadt. Viele Einheimische versuchten, in traditionelle Mäntel und Mützen gekleidet, irgendwie die Wassermassen von ihren Häusern fern zu halten.
Da hupte ein Landcruiser neben uns – und unsere slowenischen Freunde Mitja, Jan und Davorin stiegen aus. Bei einem gemeinsamen Mittagessen teilten wir, was wir seit unserem Treffen in der Mesr-Wüste im Iran erlebt hatten.
Im Anschluss schlenderten wir gemeinsam durch Buchara und genossen die Medresen, Moscheen und Bazare, die von der Blütezeit der Stadt im 9. und 10. Jahrhundert zeugen. Buchara war damals das intellektuelle, kulturelle und religiöse Zentrum Zentralasiens, in dem bedeutende Wissenschaftler und Philosophen wie Ibn Sina wirkten.



Mit den Slowenen verabredeten wir, uns in Samarkand wiederzusehen, und brachen schon einmal dorthin auf.
Kultur in Samarkand
In Samarkand kamen wir im wunderbaren Hotel L’Argamak unter. Das Highlight des familiengeführten Hotels ist eine große Dachterrasse mit Blick auf das Gur-Emir-Mausoleum und, in der Ferne, auf die tadschikischen Berge.



Wir verbrachten hier viele Stunden – Mittagspausen, Sonnenuntergänge und Abendstunden. Wegen unserer kurzfristigen Planung hatten wir wechselnde Zimmer, aber immer mit Zugang zur Terrasse.



Ich empfand Samarkand als gelungene Mischung aus historischen Seidenstraßen-Stätten und moderner, russisch-geprägter Großstadt. Viele Seidenstraßen-Orte der Stadt erkundeten wir zu Fuß. An einem Tag lief ich mit den Kindern eine lange Runde: Wir passierten das Gur-Emir-Mausoleum und erfrischten uns am Registan mit Eis. Josefine beobachtete dort neugierig die zahlreichen Hochzeits-Paare, die zum Foto-Termin hierher kamen. Weiter ging es durch die Altstadt bis zur Bibi Khanum-Moschee, wo wir die Abendsonne genossen. Die Moschee ist nach der Lieblingsfrau des aus dem heutigen Usbekistan stammenden Eroberers Timur Lenk aus dem 14. Jahrhundert benannt, der Samarkand stark geprägt hat.



Josefine beeindruckte besonders das Gur-Emir-Mausoleum, in dem die sterblichen Überreste von Timur Lenk liegen. Timur Lenk („Timur der Lahme“) ist in Usbekistan noch heute ein Nationalheld. Er war ein brutaler Eroberer, der davon träumte, Dschingis Khans Großreich wieder auferstehen zu lassen. Schon mit Mitte 30 hatte er Samarkand und große Teile Zentralasiens unterworfen; danach eroberte er Teile der Türkei und von Pakistan, des Kaukasus und des Nahen Ostens. Timur Lenk war ähnlich brutal wie Dschingis Khan, wegen seiner Siege über die Osmanen galt er aber in Europa als Held. Anders als Dschingis Khan baute er mehrere Seidenstraßen-Städte wieder auf. Gleichzeitig galt er als Kunst- und Literaturförderer.
Immer wieder sollte ich Josefine zum Gur-Emir-Mausoleum die Geschichte aus meinem Sowjetistan-Buch vorlesen: Auf Timurs Sarg steht geschrieben: „Wenn ich von den Toten auferstehe, wird die Welt zittern“. Es heißt, dass Archäologen noch eine weitere Inschrift auf dem Sarg entdeckt hätten: „Wer mein Grab öffnet, wird einen Eroberer entfesseln, der noch mächtiger ist als ich.“ Zwei Tage nachdem die Archäologen das Grab geöffnet hatten, griff Hitler die Sowjetunion an. Timur Lenk wurde 1942 erneut begraben, kurz vor der Schlacht von Stalingrad, bei der deutsche Truppen enorme Verluste erlitten und die den Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg markierte.
Entspannung in Samarkand
Einen Entspannungs-Tag hatte Samarkand auch für uns zu bieten: Wir bekamen vom Hotel die Sauna Marokand empfohlen, in der wir skurilerweise einen ganzen Teilbereich für uns hatten: Sauna, Schwimmbecken, Massage-Raum. Josefine ließ sich auch durch das unbeheizte Schwimmbecken nicht abhalten, schlotternd ihre Seepferdchen-Bahnen zu ziehen. Ich genoss eine Massage und wir alle die Sauna.
Martin verbrachte den Abend mit unseren slowenischen Freunden. An solchen Abenden fehlt mir unser Berlin besonders: meine und unsere Freunde, mit denen ich oder wir Abende im Theater oder Nächte in der Bar oder in unserem Garten samt Sauna und Lagerfeuer verbringen. Mir fehlen die Gespräche, der Austausch, die Diskussionen. Und unsere Babysitter, die sich liebevoll um die Kinder kümmern, wenn Martin und ich gemeinsam ausgehen.
Werkstätten in Samarkand
Martin verbrachte Samarkand gezwungenermaßen größtenteils in unterschiedlichen Werkstätten – einen Tag lang sogar mit beiden Kindern. Glücklicherweise hatten wir gleich zu Beginn Akram kennengelernt, der perfekt deutsch sprach und Martin angeboten hatte, in den Werkstätten mit der Übersetzung zu helfen. Allerdings funktioniert eine usbekische Wertstatt nicht wie eine deutsche: Martin stand ununterbrochen dabei und überprüfte, ob die Mechaniker an den richtigen Stellen schraubten.


Ich war nicht dabei, aber ich stelle mir die Werkstatt-Tour als Odyssee vor: Die eine Werkstatt überprüfte die Elektrik und stellte fest, dass der Pluto ein Problem mit dem Partikelfilter hat (was Martin wusste). Allerdings schien nicht der Partikelfilter selbst das Problem, sondern irgendein Sensor in seinem Umfeld (was Martin vermutete). Irgendwann sagte eine Werkstatt, sie könnten den Partikelfilter reinigen. Nun hatte Martin an diesem Tag mit Magenproblemen zu kämpfen und gerade als die Mechaniker mit der Reinigung beginnen sollten, brauchte er eine Klo-Pause. Als er wiederkam, war der Partikelfilter nicht gereinigt, sondern rausgeflext. Eine Katastrophe, die uns viel Zeit und Geld kosten sollte.


Tatsächlich kann man auch ohne Partikelfilter durch die Lande fahren, was allerdings zu einem deutlich höheren Rußausstoß und Dieselverbrauch führt. Einen neuen Partikelfilter für einen Iveco zu bekommen, ist nicht nur teuer, sondern in Zentralasien selbst eigentlich unmöglich. Martin kam von diesem zweiten langen Werkstatt-Tag recht resigniert zurück. Aber es half nichts: Wir wollten und mussten weiter nach Tadschikistan.
Wir fuhren also ohne Partikelfilter weiter Richtung der Berge, die wir in Samarkand schon von unserer Hotel-Terrasse gesehen hatten. Der Plan war, vor dem Pamir-Gebirge in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe noch einen Partikelfilter aus Russland oder Europa zu bestellen und einbauen zu lassen.

Transit-Nacht am Fluss Zerafshan
Wir wollten noch eine Zwischenübernachtung einlegen, auch wenn Samarkand nur etwa 50 Kilometer von der tadschikischen Grenze entfernt liegt. Etwa auf halber Strecke bogen wir Richtung des Flusses Zerafshan für einen Übernachtungsplatz ab. Wir fanden ein angenehmes Plätzchen an einem der Flussarme. An unterschiedlichen Stellen im Flussbett wurde Kies abgebaut. Wir genossen noch einige Sonnenstunden am Fluss, begleitet vom neugierigen Besuch mehrerer netter einheimischer Hirten-Jungen. Usbekistan verabschiedete uns mit einem herrlichen Sonnenuntergang und einer sternenklaren Nacht.


Interessanterweise wurde der Kiesabbau am nächsten Morgen auf der anderen Flussseite fortgesetzt, so dass zum Frühstück Kamaz-Laster voll mit Kies beladen direkt an uns vorbeifuhren – sehr zu Balthasars Gefallen!


Usbekisch-tadschikische Grenze vor Pandschakent
Wir erreichten die usbekisch-tadschikische Grenze vor Pandschakent am 14. April gegen Mittag. Diese Grenze ist erst seit letztem Jahr wieder für Touristen geöffnet. Zuvor mussten Reisende den doppelten Umweg fahren, wenn sie wie wir von Samarkand in die tadschikische Hauptstadt Duschanbe fahren wollten.
„… und genossen die Medresen …“ => Heißt das nicht „Mätressen“? 🙂 🙂 🙂
Eisern + gute Weiterfahrt!
Achim
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